Ordo Splendor Lucis | Qabalah | Rituelle Magie
Einführung in die Enochische Magie

Enochisch – die Sprache der Engel

Die enochische Sprache wird manchmal auch als die »Himmlische Sprache«, die »Heilige Sprache« oder die »Sprache der Engel« bezeichnet. Es heißt, dass der Prophet Enoch (aus dem Alten Testament) diese Sprache beherrschte und in dieser Sprache mit Gott und den Engeln kommunizierte. Deshalb wird diese Sprache auch als enochische Sprache bezeichnet. Enoch hat diese Sprache in einem Buch festgehalten; allerdings ging dieses Buch in der Großen Flut verloren und es dauerte noch über zwei Jahrtausende, bis der gesamten Menschheit die enochische Sprache und ihre Schriftzeichen durch Dr. John Dee und sein Medium Edward Kelly übermittelt und zur Verfügung gestellt wurden.

Dr. John Dee wurde 1527 in London geboren und war schon in jungen Jahren ein berühmter Mathematiker, Astrologe und Alchemist. Englands Königin Elisabeth I. ernannte ihn zu ihrem Hofastrologen und persönlichen Vertrauten. John Dee erkannte bald, dass sich die Geheimnisse der Natur nicht allein durch wissenschaftliche Methoden erschließen lassen würden und er suchte deshalb den Kontakt zu den höheren Ebenen durch das Medium Edward Kelly.

Das Sigillum Dei Aemeth

In den ersten spirituelln Sitzungen erhielten Edward Kelly und John Dee von dem Erzengel Uriel detaillierte Anweisungen zur Herstellung eines magischen Siegels, dem Sigillum Dei Aemeth. Das Wort »Aemeth« stammt aus dem Hebräischen und bedeutet »Wahrheit«. Der Begriff Sigillum Dei Aemeth wird also übersetzt mit »Siegel der göttlichen Wahrheit«.

In den folgenden Jahren benutzten Dee und Kelly dieses Siegel als Tor zu den höheren Welten. In der Mitte des Siegels wurde eine Kristallkugel platziert in der die Wesenheiten, die kontaktiert wurden, erschienen sind. Das Siegel wurde aus reinem Bienenwachs hergestellt. Die Inschriften und Formeln, die in das Siegel eingeritzt wurden, sind äußerst komplex: neben den Anrufungsformeln und mehreren hebräischen Gottesnamen enthält das Siegel auch die Namen von verschiedenen Erzengeln und planetarischen Engeln, die Edward Kelly während der Trance-Sitzungen schützen sollten. Das Sigillum Dei Aemeth öffnete außerdem die höheren Ebenen und stabilisierte die invozierten Kräfte. (Das echte Pentakel und einige andere magische Ritualgegenstände, die John Dee und Edward Kelly benutzt haben, sind im Britischen Museum in London ausgestellt.)
mehr Infos zum SigillumDei Aemeth

Die enochische Sprache

In den folgenden Sitzungen wurde Kelly und Dee zunächst das enochische Alphabet und die Aussprache durch die Engel übermittelt. John Dees Aufzeichnungen enthalten sehr genaue Angaben zur Aussprache und Betonung der Wörter. Skeptiker haben immer wieder behauptet, dass sich Dee und Kelly diese Sprache selbst ausgedacht haben, doch Untersuchungen von Sprachwissenschaftlern haben ergeben, dass die enochische Sprache in ihrer Struktur viel zu komplex ist, um sie sich spontan ausdenken zu können. Die Sprache besteht aus 21 Buchstaben und hat eine eigene Grammatik und Satzstruktur. Es gibt z.B. unterschiedliche Endungen der Verben für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Einige Wörter existieren in der englischen Sprache, Kelly und Dees Muttersprache, nicht, und mussten daher im Englischen umschrieben werden.

John Dee und Edward Kelly arbeiteten mehr als sieben Jahre zusammen. Die Sitzungen dauerten meist viele Stunden, die Edward Kelly in Trance verbrachte, während John Dee die Botschaften notierte. Viele der Nachrichten bestanden aus Buchstaben, die in einem Rechteck oder Quadrat angeordnet waren. Aus diesen Anordnungen wurden dann die Namen und Worte abgeleitet. Manche Worte wurden sogar rückwärts übermittelt, weil die starken Energien, die sie enthalten, allein schon durch das Aussprechen des Wortes invoziert werden können.*

Dr. John Dee hinterließ sehr umfangreiche Aufzeichnungen und die viele davon können in der Bibliothek des Britischen Museums in London auf Anfrage eingesehen werden. Die Aufzeichnungen enthalten die besagten quadratischen Tafeln, komplexe enochische Anrufungsformeln (die so genannten enochischen Schlüssel), Verzeichnisse mit enochischen Worten, ihrer Aussprache und Übersetzung, sowie die Namen der Engel und Wesenheiten, die über die enochischen Tafeln kontaktiert werden können. Die Engel und Wesenheiten haben unterschiedliche Eigenschaften und Aufgaben, und können von einem Magier dementsprechend kontaktiert werden.

Die Bedeutung der Überlieferungen von John Dee und Edward Kelly war offensichtlich, aber es waren nur Aufzeichnungen, die keine Hinweise auf die praktische Arbeit mit den enochischen Engeln enthielten. Die Grundlage für die enochische Magie ist von den beiden gelegt worden, mehr allerdings nicht.

Enochische Magie im Golden Dawn

Erst Ende des 19. Jahrhunderts, fast 280 Jahre nach Dr. John Dees Tod, wurde das theoretische Wissen in die Praxis umgesetzt. Zu verdanken ist dies vor allem Samuel MacGregor Mathers, der die Aufzeichnungen im Britischen Museum jahrelang studierte und daraus ein System der praktischen enochischen Magie schuf. MacGregor Mathers war einer der Gründer des Golden Dawn, einem magischen Orden, der 1888 in London gegründet wurde und nach dessen Lehren heute zahlreiche magische Orden und Gruppen auf der ganzen Welt arbeiten. Vor allem in den Lehren des Inneren Ordens des Golden Dawn hat die enochische Magie eine zentrale Bedeutung.

Die praktische Arbeit mit enochischer Magie ist jedoch ohne Kenntnisse der Qabalah nicht möglich. So müssen vor jeder enochischen Invokation zuerst die hebräischen Gottesnamen und die qabalistischen Engelshierarchien angerufen werden. Denn die hebräischen Formeln entsprechen der Herrschaft des göttlichen Prinzips, das über allem steht, während die enochischen Formeln der Herrschaft eng mit den Sphären des Aethyrs, und damit unserer irdischen Welt, verbunden sind. Durch diese Nähe der enochischen Engel und Wesenheiten zur physischen Welt erklären sich auch die sehr direkten Erfahrungen und unmittelbaren Ergebnisse, die sich aus dieser Art von magischer Arbeit ergeben können.

Über das Wesen der enochischen Engel

Auf den höheren Ebenen existieren zahlreiche Arten von Engeln und Wesenheiten. Einige davon sind Erzengel, die wiederum anderen Engeln übergeordnet sind. Manche Engel werden den Planeten oder den Tierkreiszeichen oder den verschiedenen Elementen zugeordnet. Es gibt persönliche Schutzengel und Engel, die ganz spezifische Aufgaben, z. B. als Wächter oder innere Führer übernehmen.

Die enochischen Engel unterscheiden sich in ihrem Wesen stark von den Eigenschaften, die die meisten Menschen von Engeln erwarten. Ihre Sphäre sind die Ebenen des Aethyrs, die eng an die physische Welt gebunden sind. Unsere menschlichen Vorstellungen von negativ und positiv sind den enochischen Wesenheiten und Engeln nicht unbedingt vertraut und sie mögen uns in ihrer Natur manchmal sogar als streng oder hart erscheinen.

Die enochischen Tafeln in der Tradition des magischen Systems des Golden Dawn

Den Kern der enochischen Magie, wie sie im Golden Dawn praktiziert wird, bilden vier Tafeln mit den enochischen Namen von zahlreichen Engeln und anderen Wesenheiten. Diese Tafeln wurden John Dee und Edward Kelly von dem Engel Ave übermittelt. Die Tafeln entsprechen den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft und sie sind in den vier Himmelsrichtungen des Tempels angebracht. Diesen vier Elementen übergeordnet steht der Geist (Spirit). Hierfür gibt es im Golden Dawn eine kleinere Tafel, die auf dem Altar im Zentrum des Tempels platziert wird.

Die Zuordnung der Elemente zu den Himmelsrichtungen ist:
Osten – Luft
Süden – Feuer
Westen – Wasser
Norden – Erde

Die Hierarchien der Tafeln in den vier Himmelsrichtungen

Die vier enochischen Tafeln sind hierarchisch aufgebaut. Die einzelnen Buchstaben-Quadrate der Tafeln sind dreidimensional und bestehen aus abgeflachten Pyramiden, deren Seitenflächen wiederum verschiedene elemetare und planetare Energien zugeordnet sind.

Aus den horizontalen und vertikalen Linien der einzelnen Tafeln ergeben sich folgende Namen:
- die drei geheimen, heiligen Namen Gottes (drei Namen pro Tafel, insgesamt also zwölf)
- der Name des enochischen elementarischen Königs, der über das jeweilige Element herrscht
- die Namen der sechs Älteren (sechs Ältere pro Tafel, insgesamt also 24)
- die Namen der Engel, die den kalvarischen Kreuzen auf den Tafeln zugeordnet sind
- die Namen der Engel, die dem kerubischen Feldern auf den Tafeln zugeordnet sind

Die heiligen Gottesnamen stellen die Verbindung zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos der eigenen Wahrnehmung her. Im Golden Dawn werden diese heiligen Namen während der Einweihung in die so genannten Elementegrade (Erde, Luft, Wasser und Feuer) durch den Hierophanten invoziert. Sobald dieser Kontakt auf den inneren Ebenen etabliert ist, kann der Initiierte diese Kräfte jederzeit in der persönlichen, magischen Arbeit kontaktieren und nutzen.

Der elementarische König wird stets invoziert bevor man die ihm untergeordneten Elementarkräfte kontaktiert. Der König steht außerdem für den Planeten Sonne, während die sechs Älteren den Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Sonne, Mond und Merkur zugeordnet sind.

Ein Adept kann deshalb mit enochischer Magie sehr spezifische Kräfte kontaktieren und einsetzen: er kann z.B. Jupiter von Erde invozieren, in dem er/sie Jupiter auf der enochischen Tafel des Elements Erde anruft. Da die vier Tafeln noch einmal in vier Subquadrate unterteilt sind, die ebenfalls den vier Elementen entsprechen, ist es auch möglich, Kombination wie z.B. Erde von Feuer oder Luft von Erde zu invozieren.

Die enochische Magie erfordert allerdings nicht nur fortgeschrittene Kenntnisse des Magiers, sondern auch umfangreiche Vorbereitungen wie starke Bann- und Schutzrituale. Enochische Namen sollten niemals allein und ohne Schutzvorkehrungen invoziert werden, da die kontaktierten Kräfte sonst nur schwer kontrolliert werden können. Bei der Invokation von enochischen Engeln und Wesenheiten ist eine strenge hierarchische Vorgehensweise wichtig. Bevor eine enochische Kraft kontaktiert wird, muss der Magier erst die entsprechenden, höheren Wesen und qabalistischen göttlichen Namen invozieren, die dann die enochischen Energien unter Kontrolle halten und lenken.

Eine Missachtung dieser Regel und der absichtliche Missbrauch von enochischen Energien kann desaströse Folgen haben. Es gibt und gab hochrangige Eingeweihte, die vehement vor der Anwendung von enochischer Magie warnen und diese Warnungen sind nicht unbegründet in Bezug auf den leichtfertigen Umgang mit der enochischen Magie.

Leider ist auch ein Missbrauch der enochischen Magie zu dunklen Zwecken möglich. So wie alles in unserer manifestierten Welt, hat auch die enochische Magie zwei Seiten – eine lichtvolle und eine dunkle Seite. Es liegt also in der Verantwortung des Magiers, sich für die richtige Seite zu entscheiden. Doch mit einer reinen Intension und dem nötigen Wissen ist die Anwendung von enochischer Magie nicht nur sicher, sonder auch äußerst effizient.


Fußnote:
* An dieser Stelle möchte ich eine Warnung aussprechen: die Arbeit mit enochischen Kräften und Anrufungen ist nur für Fortgeschrittene geeignet und sollte keineswegs leichtfertig und aus Neugierde erfolgen. Ohne umfassende Anweisungen von einem erfahrenen Adepten sollte diese Art von Magie nicht praktiziert werden. Aus diesem Grund möchte ich auch davon abraten, die enochische Magie allein aus Büchern lernen zu wollen.